Observerin: Julia Weber

AUFTAKT

FRAUEN* im Literaturbetrieb
18.juni 2022

Im Bus vom Bahnhof Bern Richtung Zentrum Paul Klee sitzen weibliche gelesene Körper auf den Sitzen, aus den Sitzen kommt ein Menschengeruch vom letzten Jahr, an den Scheiben die Fettflecken der müden Gesichter der Körper, der Rädchen im System.

In den Frauen ist eine Lust, die sich zeigt, dadurch, dass sie ihre Körper auf den Sitzen bewegen und die Arme in die Höhe werfen und die Worte aus dem Mund.

Auf den Kleidern gibt es Blumen und anderes Gewächs.

Dazu ein Wille auch.

Augen, die sehen, nach draussen, Augen die sehen können und Zähne in den Mündern, die das Essen beissen und Münder die Worte Bilden, die vorher Gedanken in den Köpfen waren und davor noch Gefühle, und Welten in den Menschen, sie steigen aus.

Sie gehen den Weg hinauf. Gehen durch eine Tür.

Sie gehen zu den Tischen hin, die Glänzen. Die Hitze kriecht aus dem Boden und vom Himmel, aus dem Blech der Autos auch.

Und die Menschen

Und die Ameisen.

Und die Klimanlage

Und Anita Vogt, die ihre Arme bewegt. Vor den Frauen an den Tischen.

Sie schwingt die Arme hin und her und erklärt dabei nicht wie ein Adler fliegt, sie sagt, wo es Kaffee gibt. Sie sagt, es gebe auch Gipfeli. Sie schwingt die Arme. Orangensaft auch, sagt sie. Alles da. Bald geht es los, sagt sie, schwingt die Arme weiter gross hin und her, dann ändern wir den Betrieb, sagt sie und eine Dame beisst in ein Croissant, nickt, beisst, als hätte sie es selbst gebacken, das Gebäck und auch das Mehl selbst gemahlen und auch die Kuh gemolken und die Eier geholt.

Und Jemand sagt, das sei kein schönes Wort, es sei einfach und unverkennbar kein schönes Wort, gar nicht, das Wort,

Literaturbetrieb.

Und das Wort Wort sei im übrigen genau so hässlich, sagt jemand anderes, jemandem beim vorübergehen.

Das fängt ja gut an, denke ich.

Ja, sagt Tabea Steiner und schaut mich herausfordernd an.

Kaffee läuft aus den Automaten. Dicht an dicht an dicht.

Das Geräusch, wenn der Kaffee aus dem Automaten läuft.

Ein Surren. Dann Stille.

Das Geräusch beim Öffnen der Rahmportion im dunkelbraunen Behälter.

Ein Mensch macht Bilder. Er ist ein Fotograf.

Er hat einen Bart. Er hat auch eine Kamera. Er hat auch ein Hemd. Auf dem Hemd sind kleine Fenster. Und

Geschlossene Schuhe. Aus Leder. Sie riechen nach Schuhcreme.

Tabea hingegen trägt eine kurze Hose, in der sie auch in einen Ring steigen könnte.

In dem sie dann das Patriarchat K-O schlagen würde, denke ich und lächle sie an und sie

fragt, was ist los und ich sage, viel.

Gut, sagt Tabea und lächelt auch und dann geht sie in der Hose des Siegens davon.

Gedanken an den Wandel.

Und das Wort, das später kommen wird.

Es ist besser, es ist noch nicht gut. Es kann gut werden, sagt später Nicole Pfister Fetz

In einer grossen Kiste sitzen zwei Frauen, beide mit Blumen auf sich und Farben. Sie übersetzen die Worte aus den Sprachen in andere. Von anderen Sprachen in wieder andere.

Nicole Pfister Fetz (seit 15 Jahren Vorsitzende des A*dS) sagt, vor 15 Jahren dachte ich, es brauche keine Gleichberechtigung.

Jetzt wissen wir, das stimmt nicht.

Darum sind wir hier, sagt sie.

Der Boden glänzt.

Die Menschen bewegen die Füssen an den Stuhlbeinen.

Im Zentrum steht die Sprache.

Im Zentrum Paul Klee bewegt sich Nicole Pfister Fetz Stimme durch den Raum. Von ihr auf der Bühne in die Menschen hinein. Ihre Stimme hat etwas Rauch.

«Also, wenn ich Autorin sage, dann meine ich eine schreibende Frau und wenn ich Autor sage, dann meine ich einen schreibenden Mann.»

Hinten sitzt ein Kind und legt Murmeln auf den Boden.

Vorne steht Nicole und spricht.

Sie sagt, wenn man den Teilnehmenden vor Wettbewerben das Geschlecht entnimmt, dann gewinnen mehr Frauen.


Roundtable Literaturförderung
Reina Gehrig und Christine Chenaux

Reina legt die Handlungsachsen dar. Sie sagt, es fehlen uns Daten. Schon dort beginnt es, die Daten, um zu zeigen wo die Lücken sind, die fehlen.

Wo sind die Fakten, die die Fakten belegen?

Werden Daten von wem erhoben?

Werden Daten von wem aufgehoben?

Werden Daten von wem verschoben?

Es meldet sich eine Dame, sie spricht vom Röstigraben. Wenn das Leben für die Frauen in der Deutschschweiz bereits prekär sein könne, wie sei es dann in der Westschweiz, und wie erst in der italienischen Schweiz. Sie würde gerne auch über den Röstigraben reden, wie der überwunden werden könne.

Der Bereich der Handlung solle bald betreten werden, sagt Reina, irgendwann. Die Handlung und die Brücken am Röstigraben würden gebaut, langsam viel zu langsam. Aber es werde gebaut.

Die Runde 1

Es sind viele Frauen in dem Betrieb unterwegs.

Die Quoten sollen eine Übergangslösung sein.

Eine Starthilfe sozusagen, sagt Yeboaa Ofosu, wie beim Auto. Zum zünden, dann den Motor aufheulen lassen, dann noch ein paar Runden auf dem Parkplatz und dann los.

Los, sagt sie und hat viel Kraft im Blick, den sie in die Runde legt.

Ja, sagt Simone Lappert. Und das reicht. Ja.

Wir schauen nach hinten auf Strukturen die von Männern gemacht, dominiert sind.

Wir schauen nach vorne, da stehen die Frauen.

Sie sind ja da. Sie laufen herum. Sie sitzen hier in diesen Reihen. Sie tragen sich umher und die Arme werden bewegt und ihre Köpfe tragen Gedanken umher, Gedanken und Visionen und Köpfe, die Knochen, manchmal knarren die Knochen, manchmal senken sich die Blicke, manchmal ist der Kaffee zu heiss, zu bitter, zu sauer oder der Tag zu lang. Aber sie sind ja da, sagt jemand, sie sind ja alle immer da.

In ihren Farben und Formen und Tonlagen.

Es gibt sie ja, sagt jemand, es gibt sie und sie haben eine Möglichkeit und noch eine, eine noch, noch viel mehr ein ganzes Gewächs, ein Wald an Möglichkeiten, wir müssen sie bloss freilegen.

Es geht um Sichtbarkeit. Es sind die Frauen, die wir vergessen.

Es geht um Sichtbarkeit. Dass man sich etwas länger hinsetzen muss und darüber nachdenken, ob die Frauen, die einen nicht einfallen, aber vielleicht vorhanden sind, einen noch einfallen und dann sichtbar werden, wenn wir etwas länger überlegen und sie suchen im glasklaren Wasser der Literatur. Vom Kanon unter Wasser gedrückt. Von den Strukturen verschluckt.

Und Quoten, sagt jemand.

Quoten seien eine Übergangslösung und es müsse klar sein, für was sie gebaucht werden, wie lange sie eingehalten werden müssen. Nicht länger als nötig. Nicht länger als nötig die Quote. Keine Quoten zum ausruhen und einschlafen wie Dornröschen, sagt jemand und hat die Hand zur Faust gemacht und die Faust zur Decke gehoben.

Runde 2

Barrieren

Ein Motor zur Gleichberechtigung der Frau.

Welchen Motor brauchen wir?

Altersgrenzen benachteiligen vor allem Frauen.

Alle 50 Jahre geht bei Frauen die Kreativität los, sagt jemand.

Ein Schub sagt jemand.

Ein richtiger Schub an Kreativität. Also ganz am Anfang und dann mit 50 nochmals, habe sie das Gefühl.

Ein wahnsinniger Schub an Kreativität. Aber wo soll er hin, der Schub, die ganze Kreativität. Da rase sie so, sie ihre Kreativität. Die Strasse entlang. und da stehe dann was und sie rase mit ihrer Kreativität auf dem Weg auf dieses Etwas zu und sehe vor lauter Rasen und Kreativität den Weg nicht mehr und nicht, was auf dem Weg stehe und dann falle sie hin. Dann falle sie wieder hin und stehe wieder auf. Und das sei ja nicht weiter schlimm, das mache sie schon ihr Leben lang so, eben, Pflaster drauf, ist ja ok, aber anstrengend sei es, einfach wahnsinnig anstrengend, dass diese Hürden da immer im Weg rumstehen würden, diese Schatten, diese Worte, die leider oft erst sichtbar würden, nachdem sie darüber gestolpert sei und immer habe sie auch das Gefühl, erst einmal den Eindruck, es liege an ihren Füssen und nicht an dem nun sichtbar gewordenen Etwas auf ihrem Weg durch das Leben.

Die Struktur.

Die Gesellschaft.

Die Intransparenz der Gagen zum Beispiel.

Die Unsicherheiten, die anerzogenen.

Der Wille erst den Fehler bei sich zu suchen, auch wenn es keinen Fehler gibt.

Weitere Barrieren.

Reina Gehrig springt umher. In zukünftigen Turnschuhen.

Anonymität

So viele Blumen auf den Stoffen.

Das Kind hat die Murmeln gegessen und wieder ausgespuckt.

Seine Mutter schiebt es hinaus.

Vielleicht würden wir ganz am Anfang beginnen.

Vielleicht würden Mädchen von Anfang an gestärkt werden, vom Tag ihrer Geburt an. In die Mitte legen und sie mit Liebe befüllen und mit der Zusprache, der Kraft, der Sensation ihrer Gestalt, was das alles bedeuten kann, irgendwann, erklären wie schön es ist, diesen Körper und diesen Kopf zu haben und die Zehen und Becken und dieses weibliche auch, und auch das müsste aber eine Übergangslösung sein, weil irgendwann würde es dann egal sein, wer mit Gebärmutter unterwegs sei und wer nicht, wer welchen Zyklus und welche Hormone und wer Haare an den Beinen habe und überhaupt die Haare, die so eine grosse Rolle spielen bei Zuschreibungen von Mann und Frau, wären dann vielleicht endlich nur Haare die uns zum Schutz vor Sonne oder anderem oder nicht mehr notwendig, eigentlich, aus der Haut wachsen. In die Mitte soll das Kind stehen, wenn es stehen will, laut sein, dass alle es hören und leise, dann müssen sich die Menschen konzentrieren und selbst leise sein. Die Mädchen, die dann vielleicht die Sichtbarkeit lieben, weil es ihrem Material entspricht aus dem sie gebaut sind, ein Material der Sichtbarkeit, ein Glitzern. Oder ein feines Material, das in den Schatten sitzt, dort seine Gedanken streichelt. Sie könnten die werden, die es gewohnt wären zu fordern und zu reden, zu verlangen, nicht nur zu geben, aber auch, aber auch.


Runder Tisch
Veranstaltungen

Neugierde.

Das ist das Wichtigste. Das ist der Motor vielleicht.

Vielleicht der Motor von dem Dragica Rajčić vorher sprach.

«Die Rakete in den Arsch der Frau», hatte Dragica gesagt.

«Die Rakete in den Arsch der Frau» hatte sie gerufen, durch den Raum.

Ich solle das einmal zeichnen, das müsse einmal gezeichnet werden von mir, rief sie.

Julia zeichne doch das, rief sie.

Erhob sich, drehte sich im Kreis.

Auch ich drehte mich im Kreis aus lauter Freude an ihrer Freude am Sein.

Und Philine Erni sagt, sie sei Philine Erni.

Und das Licht fällt aus der Decke den Menschen auf den Kopf.

Und die Männertoilette ist leer, ich gehe hinein. Hier war ich noch nie.

Der Unterschied finde auch auf den Toiletten statt, sagte jemand, dabei sehen sie ähnlich aus. Das Licht falle auch in den Toiletten von oben nach unten. Auch gebe es Spiegel, in denen wir uns sehen können. Die Menschen würden sich die Hände waschen, sie sich selbst streicheln unter dem Wasserstrahl, würde die Hände einseifen, würden sie abtrocknen und dann noch das Gesicht heben und in den Spiegel sehen. Aber was würde dort gesehen? Das sei die Frage. Was würde eine weiblich gelesene Person sehen und was würde eine männlich gelesene Person sehen? Und was mache das mit den Menschen, die sich sehen im Spiegel und die Hände riechen nun nach Rosmarin oder Lavendel?

Gesa Schneiders Haar ist ein Helm. Sie kann kämpfen.

Und die Neugierde, die müssen wir nutzen. Und müssen sie fördern und müssen dann, wenn sie da ist, ihr neues unterbereiten, ihnen das Unsichtbare sichtbare machen.

Es nicken Köpfe, es nicken Köpfe mit langem Haar.

Der Mantel des Schweigens muss abgelegt werden, sagt jemand.

Der Mantel des Schweigens bedeckt die Ungerechtigkeit.

Das Licht auf den Toiletten.

Das Licht, das vom Himmel fällt.



Kritik und Universität

Im Raum

Was mir in den Räumen eingefallen ist. Hereingefallen.

Es ging neben dem weiblich sein auch um das Sprechen in Französisch und das Sprechen in Deutsch und auch die vielen anderen Sprachen in der Schweiz.

Welche Sprache wird gehört. Und welche Sprachen werden in der Küche gesprochen und welche werden bezahlt und welche Sprachen finden sich in den Räumen, die hinter der Bühne sind?

Welche Körper lassen welche Sprachen wachsen.

Es ging neben dem weiblich sein auch um das Geld, das fehlt. Ganz grundsätzlich in diesem Bereich. In der Kultur. Die Wahrnehmung der Kunst. Ihre Wichtigkeit.

Ihre Bezahlung.

Einmal rief jemand. Grundeinkommen.

Einmal rief jemand, Prekariat.

Einmal rief jemand, die Undeutlichkeit

Von diesen Orten des Ungleichgewichtes, muss immer wieder zurückgekehrt werden zu den Fragen der Sichtbarkeit, der Unsichtbarkeit, der strukturellen Benachteiligung, dem Steckenbleiben in dem Sumpf der Zuschreibungen, was weibliches Schreiben ist, was es wird, was es war, was es sein kann.

Das Wichtig

Seilschaften.

Seilschaften.

Seilschaften.

Was ist wichtig?

Wer sagt, was wichtig ist?

Wer glaubt es, wer glaubt der Stimme, die sagt, das ist wichtig.

Warum ist es wichtig?

Sagt überhaupt jemand, warum das wichtig ist, dass als wichtig benannt wird.

Ist es wichtig, weil es ein Mann gesagt hat?

Hat es zufällig etwas mit Vernunft zu tun?

Hat es zufällig etwas mit Pragmatismus zu tun?

Hat es zufällig etwas mit der Abwesenheit von Emotionen zu tun?

Hat es zufällig etwas mit der Abwesenheit von Gefühlen zu tun?

Oder vielleicht mit der Lautstärke der Stimme, die es sagt.

Oder mit der Tonlage der Stimme?

Das Wichtig? Vielleicht?

Ist es wichtig, weil der Mensch, der es das Wichtige benennt einen Bart trägt und ein kariertes Hemd? Und weil dieser Mensch bereits im Kindergarten gelernt hat, dass der Vater, der ein Mann war, in seinem Beruf vor Menschen wichtige Dinge sagt und die Frau, die seine Mutter war, zuhause mit der Wäsche spricht, die gefaltet werden muss.

Ist es wichtig vielleicht, weil der Mensch es klarer sagen kann, weil ihm gesagt wurde, er spreche in glasklarem Wasser eines Schweizer Bergsees und vielleicht dann das Andere, das was weniger gehört wird von jemand anderem, ein Mensch vielleicht, der in die Welt sah und darin viele starke Frauen sah, die aus Stein sein mussten, um stark zu sein.

Gedanken gegen Mittag

Es ist ganz wichtig den jungen Kolleginnen Mut zu machen.

Auch auf Martina Läublis Kopf liegt das Licht. Es ist auch ein Helm. Ein goldener.

Sie spricht vom Schrumpfen der gedruckten Medien.

Sie spricht auch von Seilschaften.

Sie spricht vom Schreien innerhalb der Artikel.

Welche Artikel werden gedruckt.

Wer schreit darin?

Wie sehr muss auch im Buch geschrieen werden, damit das Buch, die Figuren darin gehört werden.

Schreiben. Schreien.

Flüstern. Schauen.

Schreien. Schreiben.

Wenn jemand jemanden fördert, tut er das, weil er sich irgendwie in diesem zu fördernden Körper wiedererkennt.

Und in einem jungen Mann, erkennt sich der älterer Mann wieder.

Warum sieht sich der Mann aber nicht in dieser jungen Frau, die, wie er ein Mensch ist, der ebenfalls gerne Krokodile beobachtet, zum Beispiel oder nur dunkelblau trägt, weil ihm alle anderen Farben zu laut sind. Oder warum nicht, weil auch er gerne ein dreiminutenei isst. Oder vielleicht die gleichen Sprachen gerne spricht, vielleicht auch die Finger beim Reden bewegt, wie Insektenbeine. Und die gleichen Themen, über das, was geschrieben werden will.

Würde das System sich für sich selbst wirklich interessieren, dann würde es gegen Innen schauen, würde sich selbst erneuern, verändern.

Das System ist faul.

Das grosse Demontieren des Genies

Das Abtragen des Genies durch die Veränderung des Vortragens.

Vielleicht mit neuen Wegen. Vielleicht nicht immer die Wasserglaslesungen, vielleicht dürfen die Menschen, die nicht auf Bühnen sitzen wollen, aber sehr wohl schreiben, sich dafür entscheiden, nicht auf Bühnen zu sitzen. Vielleicht gibt es eine Lösung dafür. Für diesen Widerspruch der gelebt werden muss vom Sitzen im Zimmer allein (Wenn es denn ein Zimmer für einen allein gibt) und dem sein an der Öffentlichkeit. Vielleicht trägt auch das Bild des Autors, der so von Genialität durchtränkt ist, das es ihm aus der Haut perlt, so dass es egal ist, wenn er nuschelt auf der Bühne oder gar nicht redet, oder in seinen heiligen Bart hinein, weil er gerade einen wichtigen Gedanken austrägt, auch dazu bei, dass dieser Wideraspruch ausgehalten werden muss. Vielleicht finden wir Bilder des Gemeinsamen. Vielleicht auf der Bühne ein Chor und die Autor*in leise im Hintergrund.

Vielleicht in Farbigkeit und leise. Oder mit vielen Gläsern voller glasklarem Wasser und wahnsinnig laut. Vielleicht mehr gemeinsam, als allein.

Das Abtragen des Genies durch das Verschwinden der klassischen Kritik, vielleicht. Vielleicht nehmen wir die Tiefe und Wichtigkeit der Literatur mit, lassen den weissen, genialen, alten, Herren in seinem Sessel sitzen. Vielleicht verschwinden die Zeitungen in Papier und mit ihnen verschwinden die Herren in den Sesseln, Pfeife rauchend.

Und wie werden wir dann den Schönheiten und Komplexitäten der Kunst gerecht.

Soziale Medien, Bloggerinnen, aber bezahlt. Worte in Zeitschriften. Bücher über Bücher?

Bilder. Gesang. Tanz.

Das Abtragen des Genies durch das Erzählen von anderen Realitäten.

Zum Beispiel das Kind, das seine Berechtigung im Raum hat und Murmeln auf den Boden legt, sie dann in den Mund steckt. Während auf der Bühne jemand von Gleichberechtigung spricht. Realitäten der Fürsorge. Realitäten des Lebens ohne Zeit für Spaziergänge. Realitäten der Menschen, scheinbar am Rand.

Das Abtragen des Genies durch das Kommunizieren im Vorfeld einer Lesung, vielleicht.

Die Entzauberung des Genies durch die Kontrolle über das Gespräch, eine Absprache darüber , über was man gerne spricht und über was nicht. Und das Gespräch und den Austausch und das gerechtwerdenwollen, der Situation gerecht werden, mit den Menschen auf Augenhöhe sein. Runterfahren von oben, aus der einsamen Genieposition. Sich selbst die Zeit und den Raum nehmen darüber nachzudenken über was gesprochen werden will und was man nicht bereden möchte, ohne darüber nachzudenken, ob man die Berechtigung hat, diese Regeln zu setzen oder dann wiederum nicht mehr dem Genie entspricht, für das man gehalten werden soll.

Oder bist du eine Frau?

Vielleicht reden wir darüber, über was wir reden wollen, vielleicht setzen wir uns dem Genie weniger aus. Wir heben es vom Sessel. Das Genie hat mit uns nichts zu tun, sagen wir, aber wir sind gut sagen wir, wir sind wachsend. Wir sind keine Schlumpfine, sagen wir, wir sind kein Genie. Vielleicht wollen wir einfach nicht mehr so sehr beschrieben werden. Keine Schubladen mehr, keine Zuschreibungen in denen man sein ich dann wieder suchen muss, wie in einer grossen Schublade voller nicht zusammenpassender Socken und Unterhosen.

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Vergessen, dass man eine Frau ist

Nina George sagt, eine ihr bekannte Frau sagte, ich schreibe doch nicht mit meinen Brüsten.

Auf Wikipedia, das von Männern gefüllt wird, sind viel mehr Pornodarstellerinnen aufgelistet als Lyrikerinnen.

Wir sind Elche, sagt Nina George.

Und ich habe leider nicht gehört warum, aber wie sie es sagt, in was für einer Kraft und Überzeugung macht mir klar, es ist gut ein Elch zu sein.

Diese Dankbarkeit überhaupt sichtbar zu sein, die muss abgelegt werden. Dieses ewige, du kannst ja überhaupt froh sein, dass…

Ist es nicht in Wahrheit ein Versehen, dass ich da bin?, fragt sich jemand irgendwo mit einem weiblichen Ich.

Die Schlumpfine soll sich eine andere Schlumpfine holen, sagt Nina George und sie sollen sich Namen geben.

Namen für Frauen. Und keine Positionen. Nicht die eine. Nicht nur die eine, die mitmachen darf. 

Nicht nur die eine Schlumpfine mir blondem Haar unter dem weissen Hut. Nicht nur ihre Beine, der einen, nicht nur ihre S Form des Körpers, der einen, die dabei sein darf. Nicht nur die Augen sehen. Den Namen des Menschen hinter den Augen. Keine Schlumpfine mehr.

1. Schliessen sie den Datacap, damit niemand ihnen sagen kann, sie seien doch nur verletzt, verletzlich, ein Blümchen, auf der Wiese, in einem leichten Sommer, mit Bienen um das Blümchen mit leichten Flügeln.

2. Vernetzen sie sich mit den Frauen in der Welt, in alle Richtungen wachsen, wie die Pflanze mit dem Namen Mother of Million Babies, die auch die Goethepflanze genannt wird, weil Goethe anscheinend Pflanzen liebte. Nein. Seien sie ein Gewächs, eine Flechte.

3. Seien sie stolz auf sich. Den es gibt genug Grund für alle hier stolz zu sein.